
Zeitdruck und die menschliche Seele: Wenn Hektik die Empathie verschlingt
In unserer modernen Arbeitswelt, die oft von Effizienz und Leistungsdruck geprägt ist, rückt eine unbequeme Frage in den Fokus: Wie wirkt sich der ständige Zeitdruck auf unsere grundlegende menschliche Eigenschaft aus – die Hilfsbereitschaft?
Eine wegweisende Studie aus dem Jahr 1973 von Psychologieprofessoren der Princeton University lieferte dazu bereits bemerkenswerte Erkenntnisse. Sie wollten verstehen, welchen Einfluss Zeitdruck auf unsere Hilfsbereitschaft hat.
Das „Guter Samariter“-Experiment:
Als Versuchspersonen dienten Theologiestudenten, die auf dem Weg zu einem Referat über das Gleichnis vom guten Samariter waren. Der entscheidende Moment ereignete sich auf ihrem Weg: Sie begegneten einem vermeintlich verletzten Menschen – einem Schauspieler, der hilflos am Boden lag.
Die Studenten wurden in Gruppen eingeteilt, denen unterschiedlicher Zeitdruck suggeriert wurde:
- „Ihr seid spät dran – beeilt euch!“
- „Ihr solltet besser gleich losgehen.“
- „Ihr habt noch etwas Zeit.“
Das ernüchternde Ergebnis sprach Bände:
- Bei geringem Druck halfen noch 63 % der Studenten.
- Bei mittlerem Druck sank die Hilfsbereitschaft auf 45 %.
- Bei starkem Druck zeigten lediglich 10 % der Studenten Hilfsbereitschaft.
Erschreckend war, dass einige Teilnehmer sogar wortlos über den „Verletzten“ stiegen.
Eine unbequeme Parallele zur Arbeitswelt:
Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich die Frage, wie es um die Menschlichkeit in einer Arbeitswelt bestellt ist, in der Zeit- und Leistungsdruck keineswegs Fremdwörter, sondern oft die Norm sind.
Es geht nicht darum, Leistung oder Effizienz zu verteufeln – beides ist zweifellos in vielen Kontexten hilfreich und notwendig. Doch die Studie mahnt uns, einen Blick auf die Kultur in unseren Unternehmen zu werfen. Es wäre von unschätzbarem Wert, Räume zu schaffen und zu bewahren, in denen Menschlichkeit, Empathie und Hilfsbereitschaft ihren Platz behalten – selbst, oder gerade, unter Druck.
Die Frage bleibt: Sind wir bereit, die Geschwindigkeit unseres Tuns zu hinterfragen, wenn dabei die Essenz unseres Menschseins auf der Strecke bleibt?
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